Jakob Gruchmann
MOSES. A PATH TO LIFE. Oratorium für Soli, Chor und Orchester

Aus: BÜHNE. Österreichs Theater- und Kulturmagazin. Nr. 11 / November 2016, Wien

Alte Geschichte neu interpretiert

NORBERT BRANDAUER. Der Dirigent über das Oratorium „Moses – A Path to Life“ komponiert von Jakob Gruchmann, das im MuTh zu hören ist.

Ein Oratorium für Jugendliche zu schreiben, das war der Auftrag von Akzente Salzburg Kultur, dem sich Jakob Gruchmann mit diesem Werk annahm – eine Aufgabe, die sich als äußerst diffizil herausstellte. Denn weder zu einfach noch zu tiefgründig, weder zu avantgardistisch noch zu konventionell sollte sich die Musik gestalten. Der junge Salzburger Komponist scheint trotz dieser Herausforderung die perfekte Balance gefunden zu haben. „Es ist nichts Seichtes für Jugendliche geworden, sondern ein sehr tiefgründiges Stück, das aber vielleicht besonders deswegen sehr ansprechend ist.“ So beschreibt Dirigent Norbert Brandauer, unter dessen Leitung die Uraufführung am 24. Oktober im Salzburger Festspielhaus zu hören war und der auch die Wien-Premiere am MuTh leiten wird, das Oratorium Moses – A Path to Life. „Eine sehr faszinierende Geschichte von der starken Persönlichkeit Mose, beginnend mit dieser berührenden Aussetzung, über die Geschichte der Israeliten in Ägypten, bis zur Begegnung mit Gott, der ihm den Auftrag gibt, sein Volk aus Ägypten rauszuführen.“ Im Lebensweg und in der Entwicklung des jungen Propheten sind Bezüge zur heutigen gesellschaftlichen Situation unverkennbar: „Die Israeliten waren die Flüchtlinge in Ägypten und sind deswegen sehr schlecht behandelt worden.“ Als eine der zentralen Stellen im Werk sieht Norbert Brandauer zudem den Tanz der Israeliten um das Goldene Kalb. Die Verherrlichung steht eindeutig mit dem Materialismus der Gegenwart in Verbindung. Diese Assoziationen sind bewusst hervorgehoben, denn „Kunst soll uns nicht nur einlullen, sondern aufrütteln“.

„In sehr plastischen Bildern hat Jakob Gruchmann die Geschichte gezeichnet. Man hat das Bild des brennenden Dornbuschs fast vor sich, der extrem knisternd dargestellt wird.“ Die Mischung zwischen tonalen und avantgardistischen Elementen sei unverkennbar mit der persönlichen Handschrift des Komponisten versehen, mit dem Norbert Brandauer in engem Kontakt steht. Der Austausch zwischen den beiden stellte sich als besonders fruchtbar heraus. „Wir haben eine ganze Nacht genutzt, um das Stück intensiv zu besprechen.“ Doch auch die Solisten wurden in den Kompositionsprozess miteinbezogen. Die Mezzosopranistin Christa Ratzenböck, die im Rahmen des Brucknerfests im September mit Gefallen ist Babylon bereits mit dem Komponisten zusammengearbeitet hat, übernimmt den Part der Evangelistin. Der junge Tiroler Bariton Philippe Spiegel singt die Titelpartie des Oratoriums. „Wem aber gibt man die Stimme Gottes?“ Eine wichtige Frage, die sich bereits Arnold Schönberg für seine Oper Moses und Aron stellte. Bei ihm ist es ein gemischtes Ensemble samt Knaben, das aus dem brennenden Dornbusch zu Moses spricht. Jakob Gruchmann hat Gottes Worte einem einstimmigen Knabenchor übertragen, der von den Wiener Sängerknaben gesungen wird. Der Chorus Juventus der Wiener Sängerknaben ergänzt die Besetzung als Stimme des Volkes.

Anna Barbara Zimmermann


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